Es hat sich einiges ereignet in Tiflis
Die vergangenen Tage haben sich dann doch als relativ stressig erwiesen.
Fangen wir erstmal mit dem allerwichtigsten an. Frollein A. ist ja vergangene Woche zusammen mit ihrem Bruder nach Deutschland geflogen, um sich in Bonn ihre gebrochene Schulter operieren zu lassen. Am Montag kam sie unters Messer und die Operation ist gut verlaufen. Jetzt folgt natürlich noch der wahrscheinlich langwierige Heilungsprozess, Reha, etc. und ich kann mir schon bildlich vorstellen, wie hibbelig sie darauf warten wird, dass sie endlich wieder fahren kann. Warten wir mal ab, ob sie gutes Heilfleisch hat oder eher nicht.
Natürlich habe ich ihr alle Genesungswünsche die hier im Blog, im Social Network, telefonisch oder per Messenger eingelaufen sind ausgerichtet und sie hat sich auch sehr darüber gefreut. Sie hat nun mal in der Vergangenheit wirklich sehr extreme Dinge im Netz erlebt und ich kann es nachvollziehen, dass sie mit diesem Medium quasi abgeschlossen hat. Auch ich habe mich nach Leibeskräften bemüht, ihren Wunsch nach Anonymität zu erfüllen, auch wenn es dazu – gerade im Freundes- und Bekanntenkreis – einiger Erklärungen bedurfte. Ganz wenige Leute kennen diese Geschichte(n) und ich weiß dass ich mich darauf verlassen kann, dass sie das auch für sich behalten. Damit wollen wir es jetzt auch gut sein lassen und ich soll mich noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken. Fühlt euch gedrückt!
Tja, da war aber auch noch mein Moped, dass kurz nach dem Unfall von Frollein A. auch mächtig Probleme machte. Kugellager und Wellendichtring vom Hinterradantrieb geschrottet und leider sind diese ja eigentlich gängigen Ersatzteile hier nicht oder nur unter großem Aufwand zu bekommen. Ivan aus der Werkstatt hier in Tbilisi hat dann zusammen mit mir am Samstag den Endantrieb mal demontiert und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass der Austausch des kompletten HAG’s nicht notwendig ist. Trotzdem mussten ja die Ersatzteile nach Georgien kommen. Also habe ich die Ersatzteile in Deutschland geordert und zu meinem Schwesterherz schicken lassen.

Denn der Expressversand per UPS hätte über 200 Euro gekostet und dann ist – laut Ivan – noch nicht sicher, ob die Teile nicht im Zoll hängen bleiben und dann sitzt du hier auf heißen Kohlen und wartest. Also habe ich mir kurzerhand 2 Flüge nach Hause, genauer gesagt zum Flughafen Düsseldorf gebucht und bin dann in der Nacht von Samstag auf Sonntag zuerst um halb eins vom Hotel die 20 Minuten zum Flughafen gefahren, wo mein Flieger um 3 Uhr 40 Ortszeit gestartet ist. Obwohl ich nur einen Rucksack mit Geld, Papieren etc. dabei hatte, nahmen es die georgischen Zöllner allerdings ziemlich genau und haben aber wirklich jeden Reißverschluss der 8 verschiedenen Fächer dieses Rucksacks geöffnet und begutachtet.

Bei meiner/unserer Einreise nach Georgien wurde in den Reisepässen vermerkt, dass wir mit dem Motorrad eingereist sind. Der sehr eifrige Polizist bei der Passkontrolle fragte dann auch: „And where is your Bike?“ Die Antwort „Das habe ich in der Jackentasche, du Pappnase!“ habe ich mir dann aber doch verkniffen, nicht dass er noch Deutsch verstand und habe ihm den Grund meiner kurzen Reise erklärt. Stempel in den Pass und durchmarschiert. Im Flieger der griechischen Gesellschaft Sky Express ging es dann zuerst nach Athen und da konnte ich mich sogar richtig lang machen. Ich hatte Sitzplatz 7F am Fenster und die komplette Sitzreihe 7 blieb bis zum Abflug leer, obwohl sonst wirklich jeder Sitzplatz besetzt war. Ich hab vorsichtshalber mal diskret gecheckt, ob ich etwas fieses im Gesicht hängen habe oder stinke, nachdem der Check aber zu meiner Zufriedenheit ausgefallen war es als gottgegeben akzeptiert und mich ausgestreckt.

In Athen dann 2 Stunden Aufenthalt, die ich u.a. mit einem (teuren) Kaffee überbrückt habe und danach ging es weiter nach Düsseldorf, wo wir um kurz vor 11 Ortszeit gelandet sind. Da ja einige von meinem Dilemma erfahren haben, hatte ich auch wieder eine ganze Menge Angebote für den Transport von Düsseldorf nach Köln. Hierfür auch nochmal allen einen herzlichen Dank, es ist schön wenn man Freunde hat, auf die man sich verlassen kann! Mein Schwesterherz hat aber auch für die paar Tage „Heimaturlaub“ den Job der Fahrerin übernommen und hatte mir auch beim abholen gleich meine Ersatzteile mitgebracht.
Ich hatte ja schon erwähnt, dass der Transport der Teile sehr teuer gewesen wäre. Im Endeffekt haben mich die 2 Flüge knapp 10 Euro mehr gekostet als der Versand gekostet hätte und ich habe die Teile bei mir, ohne ungewisses Warten ob das Zeug auch wirklich ankommt. Sonntagnachmittag noch ein paar Bierchen in der Stammkneipe genommen, aber um 20 Uhr nach Hause gegangen, sonst wäre ich wahrscheinlich im Stehen eingeschlafen. Am nächsten Tag nach dem Frühstück habe ich im nahen Bad Honnef noch einen gebrauchten ABS-Sensor für das Hinterrad abgeholt, den ich per ebay schon in Tiflis geordert hatte. Ivan meinte, ich solle ihn mal vorsichtshalber mitbringen und die 22 Euro zusätzlich fressen jetzt auch kein Brot.

Abend noch mit guten Freunden essen gewesen und am Montagnachmittag ging es wieder nach Düsseldorf. Beim Rückflug, diesmal mit der türkischen Pegasus Air und Zwischenlandung in Istanbul, hatte ich allerdings weniger Glück. Mit Serkan, dem freundlichen Türken der rechts neben mir saß und der schon lange in Witten wohnt wie man am Ruhrpott-Dialekt hören konnte, habe ich mich lange unterhalten und er hat mir auch per Wegweisung sehr geholfen meinen Anschlussflug in Istanbul zu erreichen, den ich sonst mit Sicherheit verpasst hätte. Weil wir nämlich schon mit reichlich Verspätung in Düsseldorf gestartet sind und die Ausschilderung im Flughafen Istanbul gelinde gesagt komplett für den Ars*h ist. Dazu lotste er mich mit einem mehrfachen „Perdon“ bei seinen türkischen Landsleuten an der Passkontrolle vorbei und drängelte sich gleich mit vor, in dem er mich vor sich her schob. „Geh weiter, die lassen dich alle vorbei, geh weiter, du verpasst deinen Flug“ hörte ich nur im Ohr.
Den etwas beleibteren türkischen Herrn links neben mir auf dem Flug nach Istanbul musste ich im Halbstundentakt immer wieder gerade rücken, weil er beim Schlafen immer in meine Richtung fiel. Dazu hat er so extrem geschnarcht, dass ihm selbst die Frau die vor ihm saß zweimal recht energisch geweckt und ihm ein paar nicht freundlich klingende Worte gesagt hat. Was ihn aber scheinbar nur unwesentlich störte, denn nach spätestens 2 Minuten war er wieder entschlummert und das Konzert begann von neuem. Einen guten Schlaf hatte er jedenfalls.
Den Anschlussflieger nach Tiflis habe ich dann wirklich auf den letzten Drücker erreicht und nachdem ich kurz vor Eintreffen am Gate ein schnarrendes „Mr. John Linnartz, please to Gate 214b!“ hörte, hatte ich auch schon leicht Schweiß im Schuh, den Flug doch noch zu verpassen. Ohne Serkans Hilfe wäre die Operation Ersatzteile da fast empfindlich unterbrochen worden. Zudem hätte ich mir dann erstmal wieder eine türkische SIM-Karte besorgen müssen, um überhaupt einen anderen Flug buchen zu können. Naja, es ist ja gut gegangen, wenn auch knapp.
Angekommen in Tiflis bin ich dann am Dienstagmorgen um 03:45 Uhr. Vorsichtshalber habe ich meine Teile mal beim Zoll angegeben und einer der Herren interessierte sich dann auch recht ausgiebig für das große Kugellager, Dichtung und ABS-Sensor waren ihm schnuppe. Aber dieses Kugellager hat er tatsächlich 5 Mal durch den Röntgenapparat laufen lassen, vielleicht hat er etwas darin vermutet, dass da nicht hinein gehört. Ich hatte vorsichtshalber die Rechnungen mit Zollnummern, Herkunftsland, Gewicht etc. mit eingepackt und vorgelegt. Ich bin mir nicht sicher, ob er meine Erklärung zu dem was ihn da interessierte überhaupt verstanden hat oder überhaupt wusste, was ein Kugellager ist. Jedenfalls durfte ich, nachdem ich mit ihm in ein Büro gegangen war und er einen Zettel ausgefüllt hatte, noch 18 Lari, knapp 6 Euro, in die georgische Staatskasse einzahlen. Und dieses Erlebnis hat mich darin bestätigt, die Teile besser abzuholen als per Post zu schicken. Der Mensch würde wahrscheinlich Heiligabend noch überlegen, was er da vor sich hat…
Um halb 5 hatte ich auch das geschafft und hab mich in eines der etwa 100 vor dem Flughafen wartenden Taxis gesetzt und bin dann um kurz vor 5 wieder im Hotel gewesen, wo ich mich erstmal – reichlich geschafft – 2 Stunden hingelegt habe. Nach einer Dusche und reichlich Kaffee habe ich dann Ivan angerufen und ihm gesagt, dass ich später zu ihm kommen würde und die Teile vorbei zu bringen. „Come when you want, Mr. Hans, you were quickly!“ Gesagt, getan, um 10 Uhr haben wir uns dann in seiner Werkstatt getroffen und erstmal einen Tee getrunken, während er mich ausgefragt hat, wie meine Reise verlaufen ist.
Er will den Austausch der Teile ja immer noch alleine machen, obwohl ich ihm meine Unterstützung angeboten habe. Ich habe mit ihm jetzt vereinbart, dass er sich ruhig noch etwas Zeit lassen kann, denn ich möchte mich erstens noch etwas ganz ohne Stress in Tiflis umsehen, zweitens hat er noch ein paar andere Aufträge, die schon länger warten und drittens habe ich vorgestern Nachmittag in der Stadt zufällig 2 Holländer, Jan und Dirk, kennengelernt. Die beiden sind auch mit dem Motorrad unterwegs und möchten nach Usbekistan, wollen aber vorerst noch etwas hier in Tiflis bleiben um sich auszuruhen und die Stadt zu erkunden, bevor es weiter Richtung Russland geht. Zudem wollte Jan noch eine Werkstatt suchen und da hab ich ihm natürlich gleich mal Ivans Adresse gegeben und Dirk wartet noch auf sein Visum für Russland.
Da sich das mit meinen Reiseplänen deckt habe ich die beiden gefragt, ob wir nicht zusammen fahren könnten. „Kein Problem“ war die Antwort, und so haben wir dann später noch unsere Telefonnummern ausgetauscht und wollen uns dann absprechen, ob unsere Reise zumindest ein Stück gemeinsam weitergeht. Wäre mir persönlich auch angenehmer, gerade im Fall einer Panne, an einen weiteren Unfall wollen wir mal lieber überhaupt nicht denken, ist es natürlich hilfreicher, wenn man zu mehreren unterwegs ist. Warten wir mal ab, eventuell klappt es ja.
Bis Ivan die BMW wieder repariert hat, werde ich mich also noch etwas zu Fuß oder auch mit dem Taxi in der Stadt umsehen, in der es noch einiges zu entdecken gibt. Meine ersten Streifzüge waren ja immer von Krankenhaus- oder Werkstattbesuchen unterbrochen worden und ich muss ehrlich zugeben, dass mir auch der Unfall von A. ziemlich an die Nieren gegangen ist. Jetzt weiß ich dass es ihr gut geht, wir telefonieren oder schreiben täglich, dass wird sich wohl auch nicht ändern, zumindest so lange diese Reise andauert.
Gott sei Dank ist Tiflis keine langweilige Stadt und ich habe ja schon einiges gesehen und erlebt. Deshalb habe ich mich auch entschieden, noch etwas Zeit hier zu verbringen. Mit Sicherheit werde ich nochmal die verschiedenen Märkte der Stadt besuchen, auf denen man von Lebensmitteln über Klamotten, Elektroartikel, Waschmaschinen, Stichwaffen, Pistolen und ganz selbstverständlich auch Militärzubehör- und Orden aus dem 2. Weltkrieg kaufen kann. Anfangs war ich doch ziemlich erschrocken, wieviel Nazi-Symbolik hier öffentlich angeboten wird, wenn man allerdings weiß, dass viele Georgier im Krieg für Deutschland gekämpft haben, dann verwundert das „Angebot“ nicht.

Dazu diese Unmengen an kleinen, kleinsten und allerkleinsten Läden, die oft überhaupt nicht als solche erkennbar sind, weil sie ohne Werbetafeln auskommen. Da wird auch der letzte Quadratzentimeter ausgenutzt, um sein Warenangebot zu präsentieren und wenn du drin stehst musst du aufpassen, nicht bei einer unvorsichtigen Drehung die Regale abzuräumen. Aber man bekommt hier wirklich alles und obwohl auch hier in Georgien die Inflation für die Menschen spürbar ist, ist es für uns immer noch günstig. Wobei man auf der anderen Seite der Kura, der Fluss der durch Tiflis fließt, schon merken kann, dass diese Gegend nicht nur bedeutend mehr Hotels und Touristen zählt, sondern auch deutlich teurer ist. Beispiel: Wenn ich mir hier eine diese sehr leckeren Teigtaschen, die mit Schafskäse, Spinat, Pilzen oder Hähnchenfleisch gefüllt sind kaufe, zahle ich im Durchschnitt 3 Lari, etwas einen Euro. Auf der anderen Seite das drei- bis vierfache.

Mein persönliches Highlight ist ja der Gewürzmarkt, wo in großen Säcken alles lagert, was in der Küche benötigt wird. Da kommen dir Düfte entgegen, gerade bei den orientalischen Händlern, die hier erstaunlich oft vertreten sind. Und da der Georgier für sein Leben gerne Walnüsse, Pistazienkerne und sonstiges „Vogelfutter“ knabbert, werden Einkäufe auch häufig direkt in die Hosentasche abgefüllt. Zu den diversen Märkten kommt noch eine Unzahl an Läden, die unter den großen Hauptverkehrsstraßen in Tunneln liegen und die oft die einzige Möglichkeit darstellen, auf die andere Straßenseite zu gelangen, ohne sich einer Lebensgefahr auszusetzen. Denn der Verkehr hier ist, wie A. ja leider selbst erleben musste, nicht ohne.

Der Georgier an sich hält Ampeln schon für überflüssigen Schnickschnack. Sie leuchten ab und zu unterschiedlich, mehr aber auch nicht. Also wird gefahren, gefahren, gefahren, meistens bis es nicht mehr weiter geht. Da werden große Kreuzungen mit normalerweise 3 Fahrspuren auch gerne mal zu fünft nebeneinander belegt und wenn der Nebenmann nur kurz zuckt, dann opfert man dabei im günstigsten Fall nur einen Außenspiegel, im ungünstigeren Fall mit Blechkontakt. Was hier aber erstaunlich gelassen zur Kenntnis genommen wird, meist mit mehrfachem Hupen, wildem gestikulieren und immer mit ein paar georgischen Flüchen. Und dann isses wieder gut. Apropos Hupen… Gestern kam mir ein Opel Corsa ohne Frontschürze entgegen, der gleich 4 Hupen, davon 2 mit Kompressor, vor dem Kühler montiert hatte. Denn in Georgien wird immer gehupt und wer laut hupt, kommt schneller weiter. Meistens…
Gestern war ich dann auch noch im Botanischen Garten unterwegs, dem größten im Kaukasus, der zudem landschaftlich sehr schön in den Hängen angelegt ist. Man muss schon etwas leidensfähig sein, um die knapp 220 Meter Höhenunterschied zu absolvieren, kann aber auch mit der Seilbahn zur 50 Meter hohen Statue Kartlis Deda, der Mutter Georgiens fahren und von dort immer bergab laufen. Ich bin bis zur Weißen Brücke kurz unter der Statue gelaufen und hab dort umgedreht, weil ich danach noch ins Bäderviertel wollte. Der Botanische Garten an sich hat mich jetzt nicht so angefixt aber man hat immerhin einen schönen Blick über die Stadt. Eintritt übrigens 4 Lari, etwa 1,30 Euro.

Weil dieser Beitrag ja jetzt schon Romanlänge erreicht hat, mache ich an dieser Stelle mal Schluss. Schließlich will ich noch etwas im Städtchen umsehen. Mehr Fotos zum Bericht gibt es diesmal auf meinem Instagram-Account.